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Europa muss für Georgien aufstehen - Europe must stand up for Georgia - Open letter by Vaclav Havel and others

22.09.2009 | guardian | Link zur Quelle | Bilder | Video |
Offener Brief: Zwanzig Jahre nachdem halb Europa befreit wurde, wird eine neue Mauer gebaut – quer durch Georgien, sagen Vaclav Havel und andere. - 22. September 2009
Wie sich Europa an die Schande des Ribbentrop-Molotow-Pakts von 1939 und das Münchner Abkommen von 1938 erinnert, und wie es sich darauf vorbereitet, den Fall der Berliner Mauer und des Eisernen Vorhangs im Jahr 1989 zu feiern, stellt sich eine Frage in unseren Köpfen: Haben wir die Lehren aus der Geschichte gezogen? Anders ausgedrückt, sind wir in der Lage zu verhindern, die Fehler zu wiederholen, die solch einen dunklen Schatten über das 20. Jahrhundert warfen?
Die Ereignisse der Vergangenheit zu beklagen oder zu feiern, ist eine vergebliche Handelung, wenn wir gegenüber ihren Lehren blind bleiben. Nur wenn diese Ereignisse uns lehren, wie wir anders - und klüger - handeln, haben solche Gedenkfeiern irgendeinen Wert.
Betrachtet man heute Europa, so ist es mehr als klar, dass die Geschichte nicht zu einem Ende gekommen ist und tragisch bleibt. Zwanzig Jahre nach der Befreiung der Hälfte des europäischen Kontinents, wird eine neue Mauer in Europa gebaut - dieses Mal in das Hoheitsgebiet von Georgien.
Dies stellt eine große Herausforderung für die Bürgerinnen und Bürger, Institutionen und Regierungen in Europa dar. Sind wir bereit zu akzeptieren, dass die Grenzen eines kleinen Landes einseitig durch Gewalt verändert werden können? Sind wir bereit, die de-facto-Annexion fremder Gebiete durch eine größere Macht zu tolerieren?
Um für die bevorstehenden historischen Gedenkfeiern sinnstiftend zu sein, sowohl für die kollektive Identität in Europa und als auch für die Zukunft, mahnen wir die 27 demokratischen Staats- und Regierungschefs der EU, eine proaktive Strategie zu definieren, Georgien zu helfen, friedlich seine territoriale Integrität zurückzuerhalten und den Abzug der russischen Truppen zu erreichen, die illegal auf georgischem Boden stationiert sind.
Niemand will eine Konfrontation mit Moskau oder eine Rückkehr zu der feindseligen Atmosphäre des Kalten Krieges. Aber ebenso ist es wichtig, dass die EU und ihre Mitgliedstaaten eine klare und eindeutige Botschaft an die derzeitige Führung in Russland senden.
Da die Kommission, eingerichtet durch die Europäische Union und angeführt von Heidi Tagliavini, vorbereitet, ihren Bericht über die Ursachen des russisch-georgischen Krieges zu veröffentlichen, rufen wir alle Europäer auf, sich an die schmerzhaften Erfahrungen unserer jüngsten Vergangenheit zu erinnern.
Erstens, eine große Macht wird immer einen Vorwand finden oder konstruieren, um einen Nachbarn zu überfallen, an dessen Unabhängigkeit sich diese Macht stößt. Wir dürfen nicht vergessen, dass Hitler die Polen anklagte, die Feindseligkeiten in Jahr 1939 begonnen zu haben, so wie Stalin die Schuld den Finnen anhängte, als er fiel ihr Land im Jahre 1940 überfiel. Auch im Fall von Georgien und Russland, ist die kritische Frage, welches Land das andere überfiel, vielmehr als die Frage, welcher Soldat die erste Kugel abfeuerte.
Zweitens, das Versagen der westlichen Demokratien, auf die Zerstückelung einer befreundeten Nation zu reagieren, wenn auch eine kleine Nation, kann sehr ernste globale Folgen haben.
Die Europäische Union wurde gegen die Versuchung von München und den Eisernen Vorhang gebaut. Es wäre völlig fatal, wenn wir uns in irgendeiner Weise einstellen sollten, die Art von Praktiken stillschweigend zu dulden, welche unseren Kontinent in den Krieg und die Aufteilung für die meiste Zeit des letzten Jahrhunderts stürzten. At stake is nothing less than the fate of the project to which we continue to dedicate our lives: the peaceful and democratic reunification of the European continent. Auf dem Spiel steht nichts Geringeres als das Schicksal des Projekts, dem wir unser Leben fortwährend widmen: der friedlichen und demokratischen Wiedervereinigung des europäischen Kontinents.
Vaclav Havel, Valdas Adamkus, Mart Laar, Vytautas Landsbergis, Otto de Habsbourg, Daniel Cohn Bendit, Timothy Garton Ash, André Glucksmann, Mark Leonard, Bernard-Henri Lévy, Adam Michnik, Josep Ramoneda Vaclav Havel, Valdas Adamkus, Mart Laar, Vytautas Landsbergis, de Otto Habsburg, Daniel Cohn Bendit, Timothy Garton Ash, André Glucksmann, Mark Leonard, Bernard-Henri Lévy, Adam Michnik, Josep Ramoneda

Europe must stand up for Georgia - Open letter by Vaclav Havel and others
Open letter: Twenty years after half of Europe was freed, a new wall is being built – across Georgia, say Vaclav Havel and others:

As Europe remembers the shame of the Ribbentrop-Molotov pact of 1939 and the Munich agreement of 1938, and as it prepares to celebrate the fall of the Berlin wall and the iron curtain in 1989, one question arises in our minds: Have we learned the lessons of history? Put another way, are we able to avoid repeating the mistakes that cast such a dark shadow over the 20th century?
To deplore or celebrate past events is a futile act if we remain blind to their lessons. Only if these events teach us how to act differently – and more wisely – do such commemorations have any value.
Looking at Europe today, it is abundantly clear that history has not come to an end and that it remains tragic. Twenty years after the emancipation of half of the continent, a new wall is being built in Europe – this time across the sovereign territory of Georgia.
This presents a major challenge for the citizens, institutions and governments of Europe. Are we willing to accept that the borders of a small country can be unilaterally changed by force? Are we willing to tolerate the de facto annexation of foreign territories by a larger power?
In order for the forthcoming historic commemorations to be meaningful both for Europe's collective identity and for its future, we urge the EU's 27 democratic leaders to define a proactive strategy to help Georgia peacefully regain its territorial integrity and obtain the withdrawal of Russian forces illegally stationed on Georgian soil.
Nobody wants a confrontation with Moscow or a return to the hostile atmosphere of the cold war. But, equally, it is essential that the EU and its member states send a clear and unequivocal message to the current leadership in Russia.
As the commission set up by the European Union and headed by Heidi Tagliavini prepares to publish its report on the causes of the Russian-Georgian war, we call on all Europeans to remember the painful lessons of our recent past.
First, a big power will always find or engineer a pretext to invade a neighbour whose independence it resents. We should remember that Hitler accused the Poles of commencing hostilities in 1939, just as Stalin pinned the blame on the Finns when he invaded their country in 1940. Similarly, in the case of Georgia and Russia, the critical question is to determine which country invaded the other, rather than which soldier shot the first bullet.
Second, the failure of western democracies to respond to the dismemberment of a friendly nation, albeit a small one, can have very serious global consequences.
The European Union was built against the temptation of Munich and the iron curtain. It would be utterly disastrous if we were to appear in any way to condone the kind of practices that plunged our continent into war and division for most of the last century. At stake is nothing less than the fate of the project to which we continue to dedicate our lives: the peaceful and democratic reunification of the European continent.
Vaclav Havel, Valdas Adamkus, Mart Laar, Vytautas Landsbergis, Otto de Habsbourg, Daniel Cohn Bendit, Timothy Garton Ash, André Glucksmann, Mark Leonard, Bernard-Henri Lévy, Adam Michnik, Josep Ramoneda
Stichworte: Georgien, Abchasien, Süd-Ossetien, Russland, Sprache: englisch, Archiv: #