Botschafter Hansjörg Haber leitet seit dem 16. September die EU-Beobachtermission in Georgien. Wichtigste Aufgabe der Mission ist die Überwachung der Einhaltung des Waffenstillstandsabkommens zwischen den Konfliktparteien um die Regionen Südossetien und Abchasien. diplo.de sprach mit Botschafter Haber.
Botschafter Haber mit 2 EUMM-Mitarbeitern (EUMM)
Sie sind seit 1. Oktober für eine der wichtigsten Missionen der EU zuständig: EUMM soll die Umsetzung des Waffenstillstandsabkommens der Konfliktparteien in Georgien überwachen. Können Sie den hochgestecken Erwartungen gerecht werden?
Die Überwachung der Einhaltung des Waffenstillstandsabkommens ist nur eine unserer Aufgaben - wenn auch eine sehr wichtige. Darüber hinaus tragen wir durch unsere Präsenz zur Stabilisierung und Normalisierung der Lage vor Ort bei. Wir berichten alles, was wir sehen, nach Brüssel und in die Hauptstädte der EU-Mitgliedstaaten und sorgen so für Transparenz. Außerdem gehören auch vertrauensbildende Maßnahmen zu unseren Aufgaben.
Bislang sind wir recht erfolgreich. Die russischen Truppen haben sich pünktlich aus den angrenzenden Gebieten zurückgezogen, Binnenvertriebene konnten dorthin zurückkehren, und wir haben begonnen, den Kontakt mit den südossetischen und abchasischen Autoritäten aufzunehmen.
Natürlich haben unsere Wirkungsmöglichkeiten klare Grenzen. EUMM ist eine zivile, unbewaffnete Beobachtermission. Wir können nur dort tätig werden, wo mit uns kooperiert wird. Auch haben wir keine exekutiven Aufgaben. Für die Durchsetzung von Recht und Gesetz sind die georgischen Behörden zuständig.
EUMM-Mitarbeiter im Gespräch mit Sicherheitskräften (EUMM)
Wie gut können Sie unter den momentanen Bedingungen diese Aufgaben erfüllen?
Wie bereits gesagt, hat EUMM seine Tätigkeit unter enormem Zeitdruck erfolgreich aufgenommen. Über 200 EU-Beobachter sind im Einsatz, damit wir sieben Tage die Woche rund um die Uhr Patrouillen durchführen können.
Eine Verbesserung unserer Arbeitsbedingungen ist aber natürlich noch möglich. Insbesondere fordere ich seit Beginn der Mission den ungehinderten Zugang der EU-Beobachter nach Südossetien und Abchasien. Erst dann können wir beurteilen, ob das Waffenstillstandsabkommen vollständig umgesetzt wurde – d.h. ob sich die russischen Truppen tatsächlich auf die Stellungen zurückgezogen haben, die sie vor dem Konfliktausbruch im August innehatten. Außerdem können wir uns erst dann ein wirklich umfassendes Bild der Lage entlang der Verwaltungsgrenzen machen und auch Zwischenfälle jenseits der Verwaltungsgrenzen beobachten.
Die Mission hat 340 Experten aus insgesamt 22 Mitgliedstaaten der EU, Zivilisten und Polizisten. Wie funktioniert die praktische Zusammenarbeit?
Wir haben hervorragende und motivierte Mitarbeiter, die sich sehr schnell aneinander und an die neue Situation angepasst haben. Es ist eine der schönsten Erfahrungen für mich zu sehen, wie gut europäische Zusammenarbeit im Krisenmanagement in der Praxis tatsächlich funktioniert.
Was die Beobachter-Patrouillen anbetrifft, haben wir die nationalen Teams in einem ersten Schritt zusammen behalten. Dies hat uns den raschen Beginn erleichtert und auch die Ausrüstungsfrage. Denn die einzelnen Entsendestaaten haben für ihre nationalen Kontingente auch die Fahrzeuge gestellt. Wir wollen künftig die Beobachterteams aber mehr und mehr mischen, da wir so besser von den unterschiedlichen beruflichen Hintergründen der einzelnen Beobachter profitieren können.
Missionsleiter Haber mit Pressevertretern (EUMM)
Sie haben die Vorwürfe Südossetiens als übertrieben bezeichnet, es gebe fortgesetzte Schießereien Georgiens auf südossetisches Territorium. Würden Sie dennoch bestätigen, dass es wiederholt zu Zwischenfällen kommt?
Leider kommt es nach wie vor zu Zwischenfällen entlang der Verwaltungsgrenzen Südossetiens und Abchasiens. Diese Situation bestand allerdings schon vor dem Rückzug der russischen Truppen. Ich habe deshalb die Behauptung seitens Südossetiens und Russlands zurückgewiesen, die Lage habe sich seit dem Abzug der russischen Friedenstruppen dramatisch verschlechtert.
Die Beobachter versuchen, sich von allen Zwischenfällen, von denen wir Kenntnis erlangen, ein eigenes Bild zu machen. Sie nehmen die Orte in Augenschein und sprechen mit der Polizei und der örtlichen Bevölkerung. Dabei stellt sich immer wieder heraus, dass die ersten Berichte, die wir erhalten, vielfach übertrieben sind.
Berichte von Zwischenfällen innerhalb Südossetiens und Abchasiens können wir bislang allerdings nicht unabhängig überprüfen. Auch deshalb fordere ich immer wieder Zugang für unsere Beobachter zu diesen Gebieten.
Wie geht es weiter?
Wir müssen weiter stetig daran arbeiten, die Sicherheitslage für die Bevölkerung zu verbessern. Um hier nachhaltige Fortschritte zu erreichen, benötigen wir die Zusammenarbeit aller mit Sicherheitsfragen betrauten Organe vor Ort. Auf lokaler Ebene setzen wir uns daher für einen schrittweisen Informationsaustausch und Kooperation zwischen den Polizeikräften auf beiden Seiten der Verwaltungsgrenzen ein. Georgiern und Südosseten haben wir bereits ein konkretes Kooperationsmodell unterbreitet. Einen ähnlichen Mechanismus werden wir auch für die abchasische Verwaltungsgrenze vorschlagen. Über diese schrittweise Zusammenarbeit, die wir bewusst auf unterer Ebene ansiedeln wollen, hoffen wir, nach und nach Vertrauen wieder aufbauen zu können.
Die Zukunft der Arbeit von EUMM wird außerdem sehr vom Verlauf der Genfer Gespräche abhängen. Wir kümmern uns vor Ort mehr um die Stabilisierung und Verbesserung der tatsächlichen Lage. Die dem Konflikt zugrunde liegenden politischen Fragestellungen müssen in Genf angegangen werden. Der EU-Sondergesandte Pierre Morel bemüht sich hier intensiv um einen Einstieg in einen Lösungsprozess. Er wird allerdings nur dann Erfolg haben, wenn alle Konfliktparteien den nötigen politischen Willen dazu aufbringen.
Stichworte: Georgien, EU, Süd Ossetien, Abchasien, Sprache: deutsch, Archiv: #